Jedes Jahr am 11. Juni zieht es mich mit meinem Strickzeug nach draußen: Es ist World Wide Knit in Public Day, der Internationale Tag des Strickens in der Öffentlichkeit. Danielle Landes hat ihn im Jahr 2005 ins Leben gerufen, um Gleichgesinnte zu vereinen. Damit nicht jeder immer nur für sich allein zu Hause strickt, sollte an diesem Datum gemeinsam an der frischen Luft gehandarbeitet werden. Ein Tag extra für uns Strickende, an dem wir zusammen unsere Leidenschaft öffentlich zelebrieren können!
Seitdem organisieren am WWKIP-Day Strickgruppen weltweit Events an unterschiedlichen Orten. Dort treffen sich dann Leute, um gemeinsam draußen zu stricken und so den Community-Aspekt des Strickens zu stärken. Das erste Mal hörte ich in Porto von diesem Tag. Meine Freundin Joana, die dort einen Wollladen führt, organisierte ein Event im Park. Also versammelten wir uns mit unserem Strickzeug und ein paar Leckereien bei bestem Wetter mitten in der Stadt. Und strickten, lachten, quatschten. Ein wunderschöner Tag!
Hier in Deutschland habe ich keine Strickgruppe und fand auch kein Event. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, trotzdem mein Strickzeug einzupacken und am Samstag, den 11. Juni in die Stadt zu fahren. Wer weiß, vielleicht treffe ich in Osnabrück ja Gleichgesinnte, die draußen die Nadeln klappern lassen im strahlenden Sonnenschein...
Während meine Kinder sich auf dem Wasserspielplatz vergnügten und mein Mann auf sie aufpasste, strickte ich an meinem Tuch Tatto, das ich am Abend zuvor begonnen hatte. Kraus rechts ist immer praktisch, wenn man sich nebenher noch unterhalten möchte. Und das tat ich, mit anderen Müttern auf der Wiese. „Kraus rechts kann ich auch, aber bei mir wird das immer krumm und schief… Und wie kriegst du das so dreieckig?“ – Schon war ich in ein erstes Gespräch über das Stricken vertieft, und erklärte meiner Freundin Nasi, die das Nähen liebt, wie man mit Zunahmen und Abnahmen unterschiedliche Formen schaffen kann.
Ein paar Reihen später zogen wir zusammen los, weiter in die Stadt. Während ich strickend draußen vor einem Café saß und meine Freundin mich aus allen Winkeln fotografierte, zogen wir die Aufmerksamkeit auf uns. Und so entstand das nächste Gespräch über das Stricken.
Kerstin, die dort ebenfalls gerade Kaffee trank, erzählte mir, dass sie auch strickt, aber vor allem im Herbst und Winter. So kamen wir auf Sommerstrick und die kühlenden Eigenschaften von Wolle zu sprechen. Sie bewunderte meinen Pullover, den ich meinem Mann gemopst hatte, und der zugegebenermaßen etwas zu warm war an diesem Junitag. „Aber sehr schön ist er! Wie macht man denn die Passe?“ – schon waren wir in das nächste Thema vertieft. So ging es noch ein bisschen weiter, und ich freute mich über diese nette Begegnung.
Anschließend lief ich allein durch die Fußgängerzone – strickend natürlich. Ich hörte erstaunte Sätze wie „Krass, die kann beim Laufen stricken“. Manche Leute guckten nur, manche lächelten mich an. Und ich lächelte zurück auf meinem beschwingten Spaziergang mit weiteren netten Strickpausen.
Mein Tatto ist nicht nennenswert gewachsen. Trotzdem war der Nachmittag draußen ein voller Erfolg: Ich habe es genossen, die Freude am Stricken mitten in die Innenstadt zu transportieren. Und wer weiß, vielleicht organisiere ich nächstes Jahr einfach selbst ein kleines Strick-Event…